Teure Energie belastet auch Betriebe in Südbaden – und die Angst vor Gasknappheit wächst

Lesen Sie den gesamten Artikel in der Badischen Zeitung vom 25.03.2022

Die heftigen Preissprünge bei Strom und Gas stürzen zahlreiche Unternehmen in der Region in finanzielle Probleme. Vor allem die Logistiker klagen und haben Sorge, dass ein Embargo die Gaszufuhr stoppen könnte.

"Die vergangenen Wochen waren ohne Zweifel die stressigsten und anstrengendsten in meinem ganzen bisherigen Berufsleben", sagt Joachim Schondelmaier, der Chef des gleichnamigen Familienunternehmens in Gutach mit 260 Beschäftigten. Ein wesentlicher Grund dafür seien die enorm gestiegenen Preise für Energie – für Strom und mehr noch für Gas. "Meine Mitarbeiter und ich sind derzeit laufend in Besprechungen mit Kunden, bei denen wir versuchen, die gestiegenen Kosten weiterzugeben", erklärt der Unternehmer.

Ähnlich wie der Firma Schondelmaier ergeht es derzeit vielen Unternehmen in Südbaden, wenn auch nicht überall im selben Ausmaß. Weil sich die gestiegenen Preise nicht sofort und in vollem Ausmaß an die Kunden weitergeben lassen, zehrt die teure Energie an den Gewinnmargen. Der Stromendpreisindex des Verbands der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK), der seit 2002 monatlich die Preisentwicklung für Strom-Mittelspannungskunden in Industrie und Gewerbe misst, hat sich seit Beginn der Erhebung vor 20 Jahren mehr als verfünffacht. Allein in den vergangenen zwei Jahren hat er sich annähernd verdoppelt. Der Erzeuger-Gaspreis bei Abgabe an die Industrie hat sich nach Angaben des Statistischen Bundesamts allein von Januar 2021 bis Januar 2022 verdreifacht.

Laufende Verträge federn Auftrieb ab

"Es geht bei uns aktuell um die Existenz", sagt Schondelmaier. Zwar sei man derzeit sowohl beim Strom als auch beim Gas noch in laufenden Verträgen, was den Preisauftrieb bislang abfedere. Aber es müsse gelingen, die sich abzeichnenden Preisaufschläge in der Zukunft an die Kunden weiterzugeben, sonst sei das Unternehmen in Gefahr. Die 1934 gegründete Firma Schondelmaier ist ein metallverarbeitender Betrieb, der auf die sogenannte Kaltmassivumformung spezialisiert ist. Hergestellt werden zum Beispiel Wellen für Getriebe vor allem für die Auto- und Nutzfahrzeugindustrie, aber auch für den Maschinen- und Apparatebau. Das sind Schlüsselindustrien der deutschen Wirtschaft mit mehreren Millionen Beschäftigten.

Für die Produktion in Gutach benötigt Schondelmaier große Mengen Energie. Die Pressen in dem Betrieb erzeugen zum Teil Presskräfte von bis zu 30.000 Kilonewton. Zum Vergleich: Die maximale Antriebskraft einer großen Diesellokomotive liegt bei etwa 900 Kilonewton. Hinzu kommen weitere energiehungrige Anlagen wie Handlingroboter, welche die Zuführung der Teile übernehmen. In einzelnen Produktionsbereichen muss auch Hitze erzeugt werden. "Da sind wir zwingend auf Gas angewiesen", sagt Joachim Schondelmaier.

Wird das Gas knapp, haben Privathaushalte Priorität


Deswegen mache ihn die Debatte um einen möglichen Lieferstopp für russisches Gas und die damit verbundenen Überlegungen sehr nervös, notfalls der deutschen Industrie die Gaszufuhr zu kürzen und den Betrieben nur noch gewisse Kontingente zur Verfügung zu stellen. Vor dem Krieg in der Ukraine kamen 55 Prozent des insgesamt in Deutschland verbrauchten Erdgases aus Russland, derzeit sollen es laut Bundesregierung noch 40 Prozent sein. Die Hälfte davon wird von Privathaushalten verbraucht, die andere Hälfte von der Industrie. Wird das Gas knapp, hat die Versorgung der Privathaushalte per Gesetz Priorität. "Wenn wir kein Gas bekommen, steht bei uns die Produktion still", erklärt der Unternehmer.

Auch beim Badezimmerausstatter Duravit mit Sitz in Hornberg, der weltweit 6100 Menschen beschäftigt, ist Erdgas für die Produktion entscheidend, insbesondere für das Brennen der Keramikteile. "Die hohen Strom- und Gaspreise belasten damit gerade auch unsere Standorte Hornberg und Meißen mit mehreren Millionen Euro pro Jahr", erklärt Duravit-Technikvorstand Thomas Stammel. Umso nachdrücklicher suche man derzeit nach Einsparmöglichkeiten. "Wir arbeiten konstant daran, den Ressourcen- und Rohstoffverbrauch ebenso wie die Emissionen so gering wie möglich zu halten", so Stammel, "auch weil wir bis 2045 weltweit klimaneutral sein wollen." Kurzfristig müsse nun aber der Staat für Entlastung sorgen.

Dies fordert auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Die historisch hohen Strom- und Energiepreise seien seit Monaten für viele deutsche Unternehmen eine existenzielle Bedrohung. "Teilweise war es bereits vor dem Krieg in der Ukraine aufgrund der hohen Preise betriebswirtschaftlich sinnvoll, Maschinen und Anlagen abzustellen, anstatt zu produzieren und Energie zu verbrauchen", sagt DIHK-Präsident Peter Adrian. Die Politik sei gefordert, nicht nur Privathaushalte, sondern auch Betriebe bei den Energiekosten zu entlasten.

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